Unwissend, über das, was kommen wird, reichte ich meinen Antrag zur Bachelor-Zulassung unter dem Thema:
„Warten – Gestaltung eines facettenreichen Zustandes“, ein. Nicht ahnend, dass die Geduld der gesamten Menschheit
nun auf die Probe gestellt werden sollte …

Leben wir nicht in einer Zeit, in der alles schnell gehen muss? In der alles planbar, alles kalkulierbar und bis ins Letzte effizient nutzbar sein sollte? Doch was ist, wenn dies nicht geht? Wenn andere über unsere Zeit bestimmen, wir alles Geplante verschieben müssen oder wir unsere Bedürfnisse nicht stillen können!? Spätestens seit dem Beginn der Pandemie sind wir alle in irgendeiner Weise damit konfrontiert worden. Wir alle müssen warten. Meist wird dieser Prozess als anstrengend und unnötig empfunden. Wir hoffen, dass sich alles doch irgendwie beschleunigen lässt und wir nicht untätig oder hilflos diesen Situationen ausgeliefert sind. Doch ist „Wartenkönnen“ und „-müssen“ nicht essenziell für unser Leben? Entsteht nicht gerade im Warten und der daraus folgenden Unverfügbarkeit die besondere Wertigkeit? Können wir dadurch nicht erst die nötige Ruhe erfahren, welche in dieser meist hektischen Welt oft zu kurz kommt?
In dieser Auseinandersetzung bin ich auf die verschiedensten Facetten gestoßen, die sich ganz oft in der persönlichen Interpretation unterscheiden können und bewerten lassen. Mit dem Objekt „Update 3.1“ möchte ich meine Erfahrungen und Verständnisse zum Thema: „Warten“ ausdrücken. Ich habe es so entworfen, dass es sich, losgelöst von jeder Wand, allein im Raum befindet und somit keinen Bezug zu umliegenden Dingen aufnimmt. Da auch, wenn man warten muss, sich vom allgemeinen Flow losgelöst wiederfindet. Mir war dabei eine sehr klare, lineare Formsprache wichtig, welche auch durch die Farbwahl sehr kühl und unantastbar wirkt. Es bedarf etwas Vertrauen in das Unbekannte, dass man sich dem Objekt nähert und sich auf einer, der eher unbequem wirkenden Sitzflächen hinsetzt. Die bewusst kurz gewählte Sitztiefe aber dementsprechend große Sitzhöhe fördert die aufrechte Köperhaltung des oder der Teilnehmenden, welche sich positiv auf das psychische Wohlbefinden auswirken kann. Wer sich darauf einlässt, befindet sich in einer Art Nische, die ihn abschirmt, da die Flächen in Breite und Höhe überragen. So entstehen drei Orte, in denen man nur von den Menschen gesehen werden kann, die man auch selbst sieht.

Hat man sich hingesetzt, so bedarf es erst einmal etwas Geduld. Ganz leise wird ein Geräusch hör- und langsam auch eine Veränderung an den Rückenflächen spürbar. Mit Voranschreiten der Zeit füllen sich diese mit warmem Wasser und schmiegen sich ganz weich an den Lendenwirbelbereich an. Dies ist im ersten Moment ungewohnt, doch die sich dort allmählich vergrößernden Wasserblasen tragen recht schnell und überraschend zur Verbesserung des Sitzkomforts bei. Das Erleben, des Wassers am Rücken, bindet alle Aufmerksamkeit an den Prozess der Veränderungen. Es öffnet den Raum für Interaktion, denn das Wasser lässt sich verdrängen, formen und ist stetig spürbar als leichter Gegendruck wahrzunehmen. So ist das Warten, was erst befremdlich und unangenehm erschien, auch eine Besonderheit, die es anzunehmen gilt. Das ansteigende Volumen lässt die Blasen immer voller werden, solange man sich sitzend auf dem Platz befindet. Diese Ausprägungen haben eine zunehmende Verdrängung des Sitzenden zur Folge. Mir war es wichtig, darzustellen, dass man die bereits vergangene Zeit spüren kann und dies als Druck erfahrbar wird. Er fordert dazu auf, selbst wieder aktiv zu werden. Denn: Hat man sich erst einmal an den Zustand des Wartens gewöhnt, kann dies auch eine bequeme Ausrede sein, nicht zu handeln und inaktiv zu verharren. Auch während der Pandemie darf dieser Ruhe- und Wartezustand keine Pauschalausrede für unser Nichthandeln sein. Es ist auch im Warten zu prüfen, wo und wie es Verantwortung im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu tragen gilt. Der subtile, aber doch immer größer werdende Druck am Rücken, gibt Hilfestellung zum Weitergehen, ist aber nicht zwingend, denn die Entscheidung, wann jemand diesen Platz verlassen möchte, sollte selbstbestimmt gefällt werden. Durch Aufstehen und Selbst-wieder-aktiv-werden wird der Prozess des Verharrens abgebrochen und der gesamte Druck durch das aufgestaute Wasser entweicht binnen weniger Sekunden. Die organischen Formen verschwinden und alles verwandelt sich zurück in den Ausgangszustand. Was bleibt, ist nur die Erinnerung an das eben Empfundene. Von der vergangenen Zeit des Wartens ist danach nichts Sichtbares mehr erhalten. Es gerät in Vergessenheit, bis es von neuen durcherlebt werden wird.

Autor: Wilhelm Reichel
Gepostet in Holz