Die Auseinandersetzung mit Emotionen wird in unserer Gesellschaft immer relevanter. Es lässt sich beobachten, dass Themen wie Individualität, Authentizität, Selbstreflektion, mentale Gesundheit und Selbstfürsorge immer mehr an Bedeutung und Zuspruch gewinnen. Auch der Aspekt der emotionalen Intelligenz, deren Forschungszeitraum sich im aktuellen Zeitgeist befindet, zeigt auf, wie vielfältig und zunehmend die Ansicht vertreten ist, dass es wichtig ist, Emotionen ernst zu nehmen. Die steigende Relevanz dieser Themen kennzeichnet gleichzeitig die zunehmende Distanzierung von Egoismen, Leistungsdruck und Profitabilität. Stattdessen stützt sie das kollektive Wohlwollen, Empathie und dadurch auch die Fähigkeit zur Resilienz, welche insbesondere in Krisenzeiten von großer Bedeutung ist.

kuenstlerischerProzess _ Druckgrafik

Wie fühlt sich gestalten an? Aus dieser Fragestellung heraus entwickelte sich die Masterarbeit von Melanie Müller. Das umfangreiche Thema Emotion und die Möglichkeiten der subjektiven Abbildung und des Ausdrucks jeweiliger, prägen das Wesen der Arbeit. Sie versteht sich als konzeptionelle Untersuchung von Teilbereichen des komplexen Themengebiets der emotiven Gestaltung. Dabei liegt der Fokus der Auseinandersetzung auf dem Zusammenspiel von Emotionen, Farben und gestalterischen Ausdrucksformen.
Die Welt der Emotionen wird durch ein gewisses Maß an Strukturierung zugänglicher gemacht. Mit dem Ziel, Wege aufzuzeigen, wie man sich als Mensch und insbesondere als gestaltende Person seinen eigenen Emotionen nähert, um entdecken zu können, welche Potenziale diese Annäherungen für die eigene gestalterische Arbeit bergen kann.

Das Masterprojekt DESIGN FEELING ist als hybride Auseinandersetzung zu verstehen. Es verbindet das Ersuchen einer persönlichen und individuellen künstlerischen Ausdrucksform des eigenen emotionalen Innenlebens und die analytische Entwicklung einer didaktisch relevanten Methodik zur Reflektion von Emotionen gestaltendender Personen.
Die Suche nach einer persönlichen, subjektiven Ausdrucksform in Bezug auf das emotionale Innenleben der Autorin gründet auf dem Medium der Druckgrafik und der Farbe Rot. Rot als Farbe der Emotionalität, als Farbe des Lebens, der Lebendigkeit. Im druckgrafischen Experiment, über die Technologie des Pappdrucks, entstand in erster Instanz eine Serie an roten Bildwelten. Die Bildwelten wandelten sich zu Bildgeschichten, die über ihre differenzierten, händischen Weiterbearbeitungen eine eigene, rote Story erzählen. In ihrem seriellen Zusammenspiel drücken sie aus, welche subjektiv- persönlichen Assoziationen Rot in Hinblick auf die Empfindung von Lebendigkeit hervorbringt. Die Serie trägt den Titel ERYTHROEM.

ERYTHROEM_Euphorie der Erythrozyten
ERYTRHROEM _ ERSCHLIEssEN

 

Weiterführend und vertiefend entwickelte sich aus Bildgeschichten eine eigene künstlerische Position mit dem Schwerpunkt des radikalen Farbausdrucks. Dieser äußert sich in zwei monochromen Bildern, im Format 180x180cm mit den Titeln em.rot.22 und em.blau.22. Die druckgrafisch entstandenen Bildflächen offerieren die Intensität des intrinsischen Ausdruckswillens der eigenen Emotionen als kontemplative Momentaufnahme. Dabei gründet der Ausdruck auf einer tiefgreifenden und ausführlichen Selbstauseinandersetzung mit der Farbe Rot und ihrer Bedeutung in Beziehung und Korrespondenz zum eigenen Selbst.

em.blau.22
em.rot.22

Um Emotionen verstehen zu lernen bedarf es auch die Reflektion jeweiliger. Der analytisch-methodische Teil der Masterarbeit – EMOTION DATA, stützt sich darauf. Im kollektiven Mitwirken von Gestaltungsstudierenden und Lehrenden der Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg wurde über einen begrenzten Zeitraum, das persönliche emotionale Innenleben in einem dafür entwickelten Emotionstagebuch festgehalten. Die Parameter der Eintragungen waren vordergründig Farbzuschreibungen zur eigenen Person und zu empfunden Gefühlen. Dabei spielte jedoch auch das Geben und Nehmen von In- und Output in den jeweiligen gestalterischen Projekten eine Rolle. Die Sammlung an Emotionsdaten diente im nächsten Schritt der Visualisierung von subjektiven, händisch-gezeichneten Diagrammen. Ein Wochen- und ein Monatsdiagramm zeigen im künstlerischen Ansatz den emotionalen Prozess der partizipierenden Personen und stellen somit einen spielerischen Raum für das Kennenlernen der eigenen emotiven Welten dar. Gleichermaßen stärkt die unkonventionelle Art der Selbstreflektion den eigenen Zugang zu Emotionen, Motivationen und Gemütszuständen.

EMOTION DATA _ Emotionsvokabular
EMOTION DATA _ Tagebuchtabelle-Simulation
EMOTION DATA _ graphische Darstellung-Melanie Müller
EMOTION DATA _ graphische Darstellung-Melanie Müller
EMOTION DATA _ colouridentity

Die Fähigkeit sich seiner eigenen Gefühle und den Wegen des Umgangs mit ihnen bewusst zu werden, kann affirmativ hilfreich in der Entwicklung von Gestaltungen werden. In zweierlei Hinsicht, zum Einen um sich der Rezeption und den dadurch entstehenden Emotionen der eigenen Gestaltung gewahr zu werden und zum anderen, um die eigene emotionale Intelligenz bewusst in den Gestaltungsprozess zu integrieren und dadurch eine motivierende und förderliche Selbstwirksamkeit zu finden.

 

Autorin: Melanie Müller

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