Wir Menschen leben von und durch Geschichten. Sie unterhalten und heitern uns auf, lehren uns und schützen uns vor Gefahren. Die Geschichten, die unsere Welt in der Vergangenheit prägten, sind meist nicht mehr greifbar – oft jedoch deren Resultate.
Im Sommer 2020 entwarfen wir im siebten Semester erzählende Sitzobjekte, um verschiedene Geschichten der Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří in die Gegenwart zu bringen. Ergebnisse dieses Projektes waren repräsentative Sitzskulpturen, die für mehr Wahrnehmung der Montanregion und dessen Status als UNESCO-Weltkulturerbe sorgen sollen.
Ich, Franz Peipp, möchte Ihnen im Folgenden etwas über den Bergbau erzählen, das mich in dieser Projektarbeit sehr inspiriert hat. Hinter den technischen Fortschritten im historischen Bergbau verbirgt sich weitaus mehr Erzählenswertes als Sie vielleicht bisher vermuteten.

Der facettenreiche Bergbau im Erzgebirge beginnt vor mehr als 700 Jahren damit, die Region in wirtschaftlicher, sozialer und geografischer Form zu prägen. In Hochzeiten des „Bergeschreys“ gibt es ein enormes Angebot an abbaubaren Ressourcen wie Erz, Nickel, Kobalt, Silber und vieles mehr. Immer wieder stößt dieser Wirtschaftszweig jedoch durch Limits in der damaligen Bergbau-Technologien an seine Grenzen – die Bodenschätze liegen zu tief, das Grundwasser flutet die Gruben, Schächte stürzen ein, die menschliche Kraft alleine reicht nicht mehr aus. Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra (1740–1819) war einer derjenigen, die nicht den Kopf in den Sand steckten, sondern mit wegweisenden Erfindungen den Zugang zu tieferen Schichten ermöglichten. An jenem Punkt, wenn die menschliche Kraft nicht mehr ausreichte, kam die physikalische Wirksamkeit der Rotation ins Spiel. Wasserräder mit bis zu 20 m Durchmesser ermöglichten tief unter der Erde den automatisierten Antrieb von rudimentären Pumpanlagen und Seilzügen. Mein Sitzobjekt ist eine Hommage an den Erfinderreichtum des Bergbaus der Vergangenheit. Es symbolisiert die imposante Anwendung von Rotation und bringt diese über Tage zum Vorschein.



Gemeinsam mit der Bergsicherung Sachsen als Hauptsponsor entschied ich mich, die opulenten Sitzobjekte auf dem Gelände der Fundgrube „Anna und Schindler“ zu installieren. Somit setzen die Rotationsskulpturen, in unmittelbarer Nähe des Bergbaus, ein klares Zeichen und fügen der Anhöhe neben der wunderbaren Aussicht eine weitere imposante Attraktion hinzu. Als Teil des Bergbaulehrpfades ist das Gelände auch tagsüber für Spaziergängerinnen oder Wanderer geöffnet.


Die Produktion der ausladenden Sitzskulpturen geschah pandemiebedingt erst einige Monate nach meinem digitalen Entwurf. Ich stellte wieder einmal sehr deutlich den Unterschied von 27 Zoll Bildschirmdiagonale, Papiermodell und realem Objekt fest. Sehr positiv überrascht hat mich die raumgreifende Wirkung meines Sitzobjektes. Für mich persönlich spielt diese Erfahrung eine sehr wichtige Rolle im Selbststudium der Holzgestaltung in Schneeberg. Man kann wochenlang über eine Idee theoretisieren – oder sie einfach ausprobieren. Ich selbst bin großer Fan der zweiten Variante. Nach meinem gelungenen Studienabschluss in der Holzgestaltung sind die Sitzskulpturen auf der Anhöhe über Schneeberg ein persönlicher Teil von mir, der hier seinen rechtmäßigen Platz gefunden hat. Im Sinne der alten Bergleute heißt es für mich jetzt nach dem Studium: Glück auf zu einem neuen Kapitel!

Autor: Arne Jäkel
Gepostet in Holz