Diesem Prozess nähern sich Studierende des 4. Semesters der Studienrichtung Textilkunst/Textildesign über textile Bücher an, wobei das Thema „phantastische Flora“ als Leitfaden der Erkundung einer individuellen Auseinandersetzung dient. Das Buch wird dabei zum Ausdrucksmedium eines textilkünstlerischen Storytellings.

Mittels Einbeziehung vielseitiger textiler Techniken, sowie einer spannenden Materialauswahl wird die zu erzählende Geschichte visuell transferiert, abstrahiert oder metaphorisch dargestellt. Unterstützt wird das Projekt unter anderem durch die Expertise des Geraer Künstlers Erik Buchholz, dessen Malereien und Grafiken sich durch feine Schichtungen und Details auszeichnen.

 

 

„Künstlerbücher gehören zu den interessantesten Objekten im großen Feld der Bücher, hier treten die unterschiedlichsten Materialien ins Rampenlicht und begeistern die Betrachter.“ Erik Buchholz

Experimente zu Form-, Farb- und Strukturqualitäten werden in diesem Kontext unabdingbar. Die Anwendung sowohl analoger als auch digitaler Mittel schafft einen Spannungsbogen. Semesterbegleitende Kurse im Buchbinden, der Stickerei, sowie ein Besuch der Textilsammlung der Chemnitzer Kunstsammlungen fördern zudem eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Thematik über die eigene Recherche hinaus.

 

 

“In Schneeberg erlebt und lernt man, wie komplex die Textilherstellung ist.” Erik Buchholz

Die Arbeit in den hochschuleigenen Werkstätten, sowie den Atelierräumen bietet großen kreativen Spielraum und kann vielseitige Ergebnisse befördern. So befasst sich beispielsweise Marie Neubert innerhalb der Semesteraufgabe mit Wurzeln gekeimten Weizens in Kombination mit Garnen und Tüll, wobei sie die Kommunikation und Symbiosen der Pflanzen untereinander und ihrer Umwelt mittels komplexer Wurzelsysteme besonders fasziniert. Geplant ist ein hängendes Buchobjekt in Anlehnung an tief im Erdreich verzweigtes Wurzelwerk. Die durch Stickerei und Fäden miteinander verbundenen Seiten aus Tüll sollen einen Schichtcharakter adaptieren und luftige Bildwelten entstehen lassen.

 

 

„Beim Lesen dringt man tiefer in das Buch und deren Geschichte ein, mit jedem Umblättern, eine Schicht mehr.“ Marie Neubert

Emilie Spengler hingegen nähert sich der Thematik über die spezifische Bildsprache von Blumenarrangements des Barock. Die Zelebrierung der Flora und Fauna als phantastische Darstellung soll dabei als gestalterisches Element aufgegriffen, verschiedene textile Techniken und Materialien den barocken Überfluss imitierend, kombiniert werden. Hierbei findet die gleichmäßige Struktur der Stickerei neben der Verbindung von Einzelseiten, als Stabilisierung von Materialcollagen Verwendung. Die geplanten leporelloartigen Objekte dienen der Untersuchung des Prinzipes Buch an sich und sollen sowohl einzeln, als auch als Gesamtwerk wirken.

 

 

„Mich interessiert es die Grenzen des „Buches“ zu erkunden. Ab wann ist ein Buch ein Buch?“ Emilie Spengler

Doch auch anderer „Erzählstoff“ wird innerhalb der Recherche zum textilen Buch beleuchtet, beispielsweise im Austausch mit der Textilrestauratorin der Chemnitzer Kunstsammlungen Katrin Stephan über „aussterbendes“ Handwerk. “In meinem Studium (in Köln) haben die Designer die Werkstätten abgeschafft und nur noch am Computer gearbeitet.” meint Stephan.
Das Werkstattprinzip der Angewandten Kunst Schneeberg ist deshalb im Vergleich zu anderen Hochschulen nicht nur herausragend, sondern gerade in der heutigen Zeit von großer Bedeutung.
Der Prozess vom Entwurf bis zur Realisation eines Prototyps, beziehungsweise eines künstlerischen Unikates, wird dementsprechend ganzheitlich betrachtet.

“In Schneeberg gibt es noch viel praktischen Hintergrund. (Die Absolventen) wissen wie, wo und was funktioniert und können das auch anwenden.” Katrin Stephan

 

Autorin: Franziska Heinze
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