Seit den 1980er Jahren ist die eigentliche Bedeutung des Wortes Design unscharf geworden. Sowohl in der Gestaltung als auch im Engineering gibt es die Berufsbezeichnung des Designers. Gibt es einen gemeinsamen Nenner? Was macht Design aus? Was kann von dem einem Fachgebiet auf das andere übertragen werden? Im Kontext einer Lehrveranstaltung mit Gastdozent Johannes Hünig (SCHÖNER WOHNEN) entstand ein Gespräch zwischen zwei Freunden, die sich über den Begriff Design austauschen.

 

 

 

Die Gesprächspartner

 

Anna: Wir sind beide ausgebildete Ingenieure. Für mich war es schon immer interessant, hinter die Dinge zu schauen und zu verstehen, wie etwas funktioniert. Die Entscheidung für Holztechnik rührt daher, dass man auf so vielfältigerweise Holz betrachten kann, also beispielsweise chemisch, physikalisch, haptisch. Was bedeutet es für dich, Ingenieur zu sein?

Stefano: Mein Job ist sehr technisch. Aber ich als Person betrachte mich auch als den Menschen zugewandt. Deswegen versuche ich immer, mit meinen Kollegen ein gutes Team zu bilden. So können wir gemeinsam über unsere Ideen sprechen und unsere Meinungen über Projekte äußern. Das hilft bei der Entwicklung unserer Produkte.

Anna: Was machst du genau?

Stefano: Ich entwickle Hardware, d.h. Layouts für PCBs. Das ist die Abkürzung für Printed Circuit Board. Einfach gesprochen, ist es das Board, was man sieht, wenn man elektronische Teile anschaut. Es besteht aus einem isolierenden Board, auf dem die Bauteile und die Leitungen verbaut sind.

Anna: Deine Berufsbezeichnung ist ja Hardware-Designer. Was hältst du denn von dem Begriff Design?

Stefano: Das Wort „Design“ hat eine riesige Bedeutung. Design ist nicht nur Aussehen, nicht nur Kunst oder Schönheit. Design, wie ich das verstehe, hat auch viel mit Technik und Erfahrung zu tun. Als Hardware-Designer lernt man ständig dazu. Man kann zwar die Grundkenntnisse aus der Uni benutzen, um ein elektronisches System zu bauen, aber die direkte Umsetzung ist immer anders. In meinem Feld gut zu sein, bedeutet gut mit den anderen zu arbeiten, gute Produkte zu entwickeln, die sich einfach testen lassen und die zuverlässig in Raum und Zeit sind (bei den letzten Worten fängt er an zu schmunzeln).

Anna: Ja, das sehe ich auch so. Im Deutschen gibt es die Berufsbezeichnung des Hardware-Entwicklers. Ist das Wort Entwickler zutreffender für dich als Designer?

Stefano: Wenn man auf Deutsch denkt, dann muss man auch alles auf Deutsch deklinieren. Beide Worte bedeuten dasselbe. Man fängt immer mit einer Idee an und entwickelt beispielsweise ein Hardware-System. Und daraus entspringt wieder eine neue Idee auf einem höheren Niveau. Die Ideen bilden dabei immer die Rohmaterialien unserer Kreationen.

Anna: In meinem Studium geht es viel ums Layouten und Gestalten. Viel auch, wie etwas visuell wirkt. Kannst du denn etwas Ästhetisches an deinem Endprodukt ausmachen?

Stefano: Es ist etwas schön, wenn es nicht kompliziert ist. Wenn du zum Beispiel die Aufgabe mit weniger Bauteilen erfüllen kannst, mit weniger Leistung, wir denken hier auch wirklich im Bereich Elektronik, und wenn weniger Zeit für die Entwicklung notwendig war.

 

 

Anna: Schönheit ist also Reduktion?

Stefano: Genau. Eine reduktive Schönheit. Aber eine schöne Idee begeistert uns Hardware-Designer genauso wie eine schöne Malerei. Du stehst davor und denkst dir: Guck mal, der Designer hat wirklich einen guten Job gemacht! Ich hätte es nicht so gut gemacht. So einfach, so sauber, so faszinierend… (fängt an zu lachen) Ich höre viel Radio. Dort habe ich diese Ausdrucksweise gelernt. Dort sprechen die Leute einfach so.
(beide lachen)

Anna: Design steht im Zusammenhang mit Effizienz. Gut und einfach zu funktionieren, dass ist oftmals das Ziel eines guten Designs. Im Englischen hat das Wort Design eher etwas mit Gestaltung zu tun und ist auch eher mit Ästhetik und Schönheit verbunden. Im Italienischen steht es eher für einen Prozess, für einen Vorgang, der immer und immer wieder überprüft werden muss. Stimmt das?

Stefano: Stimmt! Genau, es ist ein Prozess, wo man nicht nur eine Idee hat und ihr dann starr folgt. Sondern es ist immer zyklischer Prozess, der immer mit ständigem Testen und neuen Ideen einhergeht. Wichtig während des Prozesses ist, dass man viele Fehler macht, aus denen man lernt. Im Nachhinein versteht man, dass die erste Idee oft nicht die Beste ist. Wie du gut gesagt hast, dreht es sich immer um einen Prozess (hält inne).
Ich wollte noch einmal über die Sprache sprechen. Wenn du mit einem Italiener sprichst und sagst: „Ich designe Möbel“, dann wird er damit assoziieren, dass du einen Tisch designst, ohne wirklich neue Funktionalität, sondern nur um ein gewisses Konzept umzusetzen. Dass du beispielsweise nur die Form änderst. Aber das ist schade, weil das wirklich nur einen kleinen Teil des Designbegriffs ausmacht. In der Ingenieurswissenschaft sprechen wir dabei vom Begriff des Design Thinking.

 

Anna: Ist es also für dich kein Anspruch an Design, etwas Faszinierendes und Ungesehenes zu gestalten?

Stefano: Ich werde dich überraschen, aber für mich ist es genau das Gegenteil. Ein Designer braucht nicht etwas super Neues machen. Dafür gibt es Wissenschaftler. Sie machen Forschungen, um wirklich neues herauszufinden. Der Designprozess basiert immer auf etwas, was schon existiert.

 

 

Anna: Wenn ich an Design denke, dann an Sachen, die so vorher noch nicht existiert haben. Aber du sagst richtig: der Ursprung des Designs existierte ja trotzdem schon irgendwo. Es ist vielleicht in einem anderen Kontext gedacht, einfach anders umgesetzt.

Stefano: Genau. Durch Design werden unterschiedliche Fachbereiche zusammengebracht. Niemand zuvor hat vielleicht über die Kombination nachgedacht. Aber trotzdem Designer sind keine Forscher. So wie ich das interpretiere, nehmen die Designer die besten Ideen, die schon hier existieren, um eine Idee zu realisieren.

Anna: Also müssen Designer gut im Erfassen von Gegenständen sein, gut im Lernen und gut im Beobachten? Was sind deiner Meinung nach die Anforderungen an den einen guten Designer?

Stefano: Für mich ist hier das Schlagwort Erfahrung. Mit Erfahrung meine ich Fehler zu machen und auch Fehler zu verstehen. Man braucht eine offene Mentalität, um sich nicht auf eine Idee zu versteifen. Während des Prozesses musst du sicher deine Idee hundertmal verändern. Du musst auch offen genug sein, um sagen zu können: Ja, meine Idee war nicht richtig, vielleicht ist die Idee von meinem Kollegen besser. Um dann Idee zusammen weiterzuentwickeln.

Anna: Das sind schöne Reden, aber wenn du auf Arbeit gehst, ist da wirklich so? Bist du immer offen für alle neuen Ideen?

Stefano: Am Anfang habe ich viel gelernt, aber auch die meisten Fehler gemacht. Das Design hat nicht funktioniert und es war irgendwie frustrierend. Zeitgleich hatte ich aber neue Energie, mich dem Fehler anzunehmen. Designen ist eben kein linearer Prozess. Es kommt vor, dass du tagelang denkst und denkst und zu keinem Schluss kommst. Dann kommt dieser Tag, wo etwas passiert. Du hast vielleicht mehr geschlafen, du hast mit deinen Freunden gelacht und etwas in deinem Kopf hat sich verändert. Und plötzlich hast du die Lösung. Natürlich basierend darauf, was du im Studium gelernt hast.

Anna: Um für andere Menschen zu designen, muss man ja den Standpunkt der anderen einnehmen? Wie wird das einem deinem Berufsfeld gemacht?

Stefano: Es gibt viele Arten von Designern. Ich würde mich als ein bisschen anders beschreiben. Ich bin nicht nur an Technik interessiert, sondern auch an dem Prozess, der Menschen zusammenzubringt.

 

Anna: Kannst du dazu ein Beispiel geben?

Stefano: Der Kunde ist das Zentrum des Prozesses. Der, der ein Stück von deiner „Kunst“ haben und bezahlen will. Aber oftmals versteht der Kunde die Idee nicht. Ansonsten würde er es selbst machen. Er braucht einen Hardware-Designer für die Umsetzung. Du musst gut genug sein, um ihn zu begeistern, um gleichzeitig sein Feedback und seine Ausgangsidee zu bekommen. Für mich ist es superwichtig, vielleicht nicht jeden Tag, aber zumindest einmal in der Woche mit dem Kunden zu sprechen. Lieber so, als eine ganze Weile alles selbst zu entwickeln und am Ende zu sehen, dass deine Lösung nicht das ist, was erwartet wurde. Die Gespräche müssen dabei nicht lange dauern. Es reichen fünf Minuten.

 

 

Anna: Wie ist man im Bereich Hardwareentwicklung kreativ?

Stefano: Zurzeit arbeite ich als Dienstleister in einer Fremdfirma. Dort habe ich Kollegen, die wirklich etwas besonders sind. Sie spielen Skat- jeden Tag. Ich würde sterben. Und sie führen eine Liste und sie rechnen ihren Punktestand jedes halbe Jahr zusammen.
Ein Kollege hat dabei eine Methode entwickelt, die Punkte so zusammen zu zählen, dass die schwächeren mehr Punkte bekommen und das es stets zwischen den schlechteren und besseren Spielern ausgeglichen ist. Das würde ein normaler Mensch nicht machen. (lacht)
In meinen Augen hat auch ein Mensch eine gewisse Kreativität, der vielleicht ein bisschen anders, der ein bisschen verrückt ist- wie unsere Skatspieler. Ich mag das! Weil es ist einen komplett anderen Weg aufzeigt, als ich gehen würde. Ich liebe das!

Anna: Ich habe dich als kommunikative Person kennengelernt. Du hast dabei immer das Geschick gehabt, Leute zu vernetzen. Hast du einen Ratschlag, wie man die Kommunikation verbessern kann?

Stefano: Ja, das stimmt. Das habe ich gerne bei meinen Freunden gemacht und nun probiere ich es auch in meinem Arbeitsumfeld. Ich finde es wichtig, dass man mit seinen Kollegen nicht über technische Aspekte spricht, sondern auch auf einer persönlichen Ebene kommuniziert. So baut man persönliche Brücken und der gesamte Entwicklungsprozess geht schneller voran.

 

 

Autorin: Anna Berkoben
Gepostet in Zusammen