Sobald man die wichtigsten Handbewegungen raushatte, lief das Ganze schon fast wie von allein und man klöppelte gemeinschaftlich Nächte lang zu Harry Potter und einem immer intensiver werdenden Heugeruch von den trockenen Grasbergen im Atelier.

Zwei Klöppelschülerinnen der Staatlichen Spitzenklöppelmusterschule in Schneeberg um circa 1930, Archivfoto

Blicken wir zurück auf 1878, als für die Angewandte Kunst Schneeberg alles begann. Damals noch „Königliche Spitzenklöppelmusterschule“ genannt, beschäftigte sich unsere Einrichtung nur mit einer Sache, dem Klöppeln. Bis zur Bildung der „Fachschule für Angewandte Kunst“ 1962 entstanden ca. 5800 Stücke. Auch heute noch umfasst die Sammlung historische Klöppelarbeiten, welche an der Fakultät gehegt und gepflegt wird um die 340 Stück, bestehend aus Kragen, Deckchen und Spitzen als Meterware, sowie weitere ca. 970 verschiedene Spitzenmusterproben.

Angehende Klöppellehrerinnen arbeiten an eigenen Mustern, Archivfoto
„Plauener Spitze“, Muster für die Industrie, Archivfoto

141 Jahre und viele raue Hände später spielt das Klöppeln natürlich immer noch eine Rolle im Studium eines jeden Textilers an der AKS. Vielleicht weil damit alles begann, vielleicht auch weil es eine der grundlegendsten textilen Techniken im Erzgebirge ist, fängt jeder frisch nach Schneeberg gekommene Textil-Ersti mit dem Klöppeln an. Ein kleiner Rückblick vom inzwischen achten ins erste Semester. Die Aufgabe ist, freie Formen zum Thema Flora aus Draht zu Klöppeln. Gestartet wird mit den Basics, ohne die läuft gar nichts. „Wir gehen jetzt erstmal raus und sammeln Pflanzen“… Ok., cool. Zum Glück hatten wir noch gutes Wetter, also ging es raus ins hohe Gras und in unserem inspirierten Übermut schleppten wir bergeweise halbe Sträucher und Grasbüschel ins Atelier. Was folgte, war das Zeichnen und zwar so viel wie nur ging. Während man sich die interessantesten Grasbüschel raussuchte und aus allen Perspektiven zeichnete, gingen auch die ersten Lehrstunden zur Klöppeltechnik los. Man bekommt nochmal richtig Respekt vor dem Klipplmadl, wenn man selbst versucht die Technik zu beherrschen, denn den Überblick über die ganzen Klipplflaschn hat man schneller verloren als man Zwernsfadl sagen kann.

Scan, Semesterarbeit, Vanessa Kessel

Als ich mit Annika und Carmen aus dem 4. Semester spreche, stellen wir fest, dass es uns allen recht ähnlich ging. Am Anfang war man noch etwas skeptisch und wusste nicht wirklich, was man von der Klöppelaufgabe halten sollte, gerade wegen des sehr festgefahrenen Blickes, den viele auf das Klöppeln haben. Doch sobald man die Technik beherrschte, hat es schon fast süchtig gemacht. Die Zeit verflog so schnell, dass man erst wirklich merkte, wie spät es geworden war, wenn man, von seinen Rückenschmerzen getrieben, mal vom Klöppelsack aufsah, um sich zu strecken, nach oben aus dem Fenster schaute und bemerkte, dass es plötzlich schon dunkel draußen war.

Scan, Semesterarbeit, Helena Berger-Schöniger

Am Ende hat man schließlich seine wunderschön geklöppelten Formen, doch das Stichwort ist Experiment und unübliche Vorgehensweisen sind gern gesehen. Vanessa aus dem 4. Semester hatte eine ziemlich originelle Idee. Sie erzählt mir, wie sie Besuch von einem Kumpel hatte und mit diesem spät abends in der Hochschule am Drucker stand, um eigentlich ihre Klöppelarbeiten einzuscannen und daraus Collagen zu machen. „Er hat dann rumgeblödelt und sein Gesicht auf den Scanner gedrückt. Die Bilder sahen so lustig aus, dass wir sie ins Atelier gehängt haben und dabei ist mir aufgefallen, dass man das mit den geklöppelten Formen kombinieren könnte.“

Scan, Semesterarbeit, Annika Liebel

Autorin: Victoria Münter
Gepostet in Textil